Steuerlatein im alten Rom und aktuell

„Dem Kaiser Caligula wird nachgesagt, dass er die Steuergesetze teils gar nicht, teils an unzulänglichen Stellen veröffentlichen ließ, um sie der Aufmerksamkeit der Steuerpflichtigen möglichst zu entziehen und Steuerbußen aufgrund der infolgedessen enstehenden Versäumnisse erheben zu können  ……

Caligula, der als Inbegriff des Cäsarenwahnsinns in die Geschichte eingegangen ist, hat auf eine primitive Weise das erreicht, was das moderne,  zu einer Geheimwissenschaft ausgeartete Steuerrecht bewirkt. Wenn die Steuergesetze unlesbar geworden sind, so ist der Effekt der gleiche, als wenn sie ´gar nicht oder an unzulänglichen Stellen´nach Caligulas Vorbild veröffentlicht worden wären. Die Steuergesetze sind in einer neuen Sprache, nämlich im „Steuerlatein“ geschrieben. Da die meisten Steuerpflichtigen in dieser Hinsicht sprachlich unbegabt sind, kommt es immer wieder zwischen ihnen und dem Finanzamt zu Kurzschlüssen und in weiterer Folge zu einkommen- und substanzverzehrenden Bränden. Wie man sieht, arbeitet der moderne Steuerwahnsinn mit ähnlichen Mitteln wie der antike Cäsearenwahnsinn.“

(Auszug aus dem Buch „Dämon Steuer – Ein Leidensweg der Menschheit“ von Karl Pirnat aus dem Jahre 1956, S. 204 – 206,  gefunden in KÖSDI 12/2007 S. 15844)

Wer die heutigen Steuergesetze mit denen des Jahres 1956 vergleicht, wird feststellen, dass sich die Gesetzeslage, was die Verständlichkeit betrifft, damals noch in einem Zustand der paradiesischen Unschuld befunden hat.

Heute werden die Steuergesetze zwar veröffentlicht, aber verständlich sind sie dem Normalbürger schon lange nicht mehr, und selbst die Fachleute haben bisweilen ihre Last, herauszufinden, was eigentlich gemeint und gewollt ist. Die die Gesetze beschließenden Abgeordneten des Bundestages verstehen mit Sicheheit nicht, worüber sie abstimmen, wenn sie die Hand heben. Inzwischen wurde erstmals im vergangenen Jahr sogar ein Gesetz vom BFH wegen Unverständlichkeitdem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Harald Kern, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Aschaffenburg, www.kern-hess.de

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